§ 1

Die okkulte Bedeutung des Traumes
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§ 2

Von
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§ 3

Sigm. Freud
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§ 4

Derim Druck befindliche Ill, Bund
004 der „Gesunmelteu Sehr-ihren“ von
005 Sigm. Freud enthält zum Teil noch
006 unveröfi‘entliclite „Ergänzungm
007 und z„„u,k„in-i zur Traumdeutung“.
008 Einer dieser Beiträge gelingt hier zum
009 Abdruck. (Anmzrlnmg tier Valagls.)
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§ 5

Wenn der Probleme des Traumlebens kein Ende abzusehen
011 ist, so kann sich nur der darüber verwundern, der eben vergißt,
012 daß alle Probleme des Seelenlebens auch am Trauma wiederkehren,
013 irermelirt um einige neue, die die besondere Natur der Träume
014 betrell'en. Viele der Dinge, die wir am Traum studieren, weil sie
015 sich uns dort zeigen, haben aber mit dieser psychischen Besonder-
016heit. da Traumes nichts oder wenig zu tun. So ist z. B. die Sym—
017 bolik kein 'I‘raumproblem, sondern ein Thema unseres archaischen
018 Denkens, unserer „Grundsprache“ nach des Paranoikers Sclireber
019 trefilichem Ausdruck, sie beherrscht den Mythus und das religiöse
020 Ritual nicht minder als den Traum; kaum daß der Traumsym-
021bolik die Eigenheit verbleibt, vorwiegend sexuell Bedeutsames zu
022 verhülleu! Auch der Angsllraum braucht seine Aufklärung nicht
023 von der Traumlehre zu erwarten, die Angst ist vielmehr ein
024 Neurosenproblem, es bleibt nur zu erörtern, wie Angst unter den
025 Bedingungen des Träumens entstehen kann,
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Die okkulte Bedeutung des Traumes 255
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§ 8

Ich meine, es ist mit dem Verhältnis des Traumes zu den
029 angeblichen Tatsachen der okkulten Welt auch nicht anders.
030 Aber da der Traum selbst immer etwas Geheimnisvolles war, hat
031 man ihn mit jenen anderen anerkannten Geheimnisscn in intime
032 Beziehung gesetzt. Er hatte wohl auch ein historisches Anrecht
033 darauf, denn in den Urzeiten, als unsere Mythologie sich bildete,
034 mögen die Traumhilder an der Entstehung der Seelenvorstellungen
035 beteiligt gewesen sein,
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Es soll zwei Kategorien von Träumen geben, die den okkulten
037 Phänomenen zuzurechnen sind, die prophetischen und die tele-
038pathischen Für beide spricht eine unübersehbare Masse von Zeug-
039nissen; gegen beide die hartnäckige Abneigung. wenn man will,
040 das Vorurteil der Wissenschaft
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Daß es propheti50he Träume in dem Sinne gibt, daß ihr Inhalt
042 irgendeine Gestaltung der Zukunft darstellt, leidet allerdings keinen
043 Zweifel, fraglich bleibt nur, ob diese Vorhersagen in irgend be
044 merkenswerter Weise mit dem übereinstimmen, was später wirk-
045lich geschiehL Ich gesiehe, daß mich für diesen Fall der Vorsatz
046 der Unparteiliclik9it im Stiche läßt. Daß es irgendeiner psychi-
047schen Leistung außer einer scharfsinnigen Berechnung möglich
048 sein sollte, das zukünftige Geschehen im Einzelnen vurauszuschen,
049 widerspricht einerseits zu sehr allen Erwartungen und Einstellungen
050 der Wissenschaft und entspricht anderseits allzu getreu uralten,
051 wohlbekanmen Menschheilswünschen, welche die Kritik als unbe—
052 rechtigte Annmßung verweri'en muß. Ich meine also, wenn man
053 die Unzuverlässigkeit, Leiclxtgläubigkeil und Unglaubwflrdigkeit der
054 meisten Berichte zusammenhält mit der Möglichkeit effektiv er—
055 leichterter Erinnerungs1äuschungen und der Notwendigkeit einzel—
056 ner Zufallstrefier, dm” man erwarten, daß sich der Spuk der
057 Propheu'schen Wa11ruäume in ein l\ichls auflösen wird. Persönlich
058 habe ich nie etwas erlebt oder erfahren, was ein günstigeres Vor-
059urteil erwecken könnte
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Anders steht es mit den telepathischen Träumen. Hier sei aber
064 vor allem bemerkt, daß noch niemand behauptet hat, das telepa-
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thische Phänomen — die Aufnahme eines seelischen Vorgangs
066 in einer Person durch eine andere auf anderem Wege als dem
067 der Sinueswahmehmung — sei ausschließlich an den Traum ge-
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bunden. Die ']‘elepaihie ist also wiederum kein Traumproblem,
069 man braucht sein Urteil über ihre Existenz nicht aus dem Studium
070 der telepathischen Träume zu schöpfen.
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§ 17

Unterwirft man die Berichte über telcpnthische Vorkommnisse
072 (ungenau: Gedankeniibertragmg) derselben Kritik, mit der man
073 andere okkulte Behauptungen abgewehrt hat, so behält man doch
074 Bin ansehnliches Material übrig, das man nicht so leicht vemach—
075 läsigen kann, Auch gelingt es auf diesem Gebiet weit eher, eigene
076 Beobachtungen und Erfahrungen zu sammeln, die. eine freundliche
077 Einstellung zum Problem der Teleparhie berechtigen, wenngleich
078 sie für die Herstellung einer gesicherten Überzeugung noch nicht
079 ausreichen mögen. Man bildet sich vorläufig die Meinung, es könnte
080 wohl sein. dal] die Telepathie wirklich existiert und daß sie den
081 Wahrheitskern von vielen anderen, sonst unglaublichen Aufstellungen
082 bildet.
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Man tut gewiß Recht daran, wenn man auch in Sachen der
084 Telepathie jede Position der Skepsis hartnäckig verteidigt und nur
085 ungern vor der Macht der Beweise zurückweicht. Ich glaube ein
086 Material gefunden zu haben, welches den meisten sonst zulässigen
087 Bedenken entzogen ist: nicht erfüllte Prophezeiungen berufsmäßiger
088 Wahrsager. Leider stehen mir nur wenige solcher Beobachtungen
089 zu Gebote, aber zwei unter diesen haben mir einen starken Ein-
090druck hinterlassen. Es ist mir versagt, diese so ausführlich mitzu«
091 teilen, daß sie auch auf andere wirken könnten. Ich muß mich
092 auf die Hervorhebung einiger wesentlicher Punkte beschränken.
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Den betreffenden Personen war also — am fremden Ort und
094 von seiten eines fremden Wahrsagen, der dabei irgendeine, wahr»
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scheinlich gleichgültige, Praktik betrieb — etwas für eine bestimmte
098 Zeit vorhergesagt werden, was nicht eingetroffen war. Die Ver—
099 fallszeit der Prophezeiung war längst vorüber, Es war auffällig,
100 daß die Gewährspersonen anstatt mit Spott und Enttäuschung
101 mit offenbarem Wohlgefallen von ihrem Erlebnis erzählten. Im
102 Inhalte der ihnen gewordenen Verkündigung fanden sich ganz
103 bestimmte Einzelheiten, die willkürlich und unverständlich schienen,
104 die eben nur durch ihr Eintreffen gerechtfertigt, worden wären.
105 So sagte :. B. der Chiromant der Siebenundzwanzigjährigen, aber
106 viel jünger aussehendal Frau, die den Ehering abgezogen hatte,
107 sie werde noch heiraten und rnit zweiunddreißig Jahren zwei
108 Kinder haben. Die Frau war dreiundvienig Jahre alt, als sie,
109 schwer krank geworden, mir diese Begebenheit in ihrer Analyse
110 erzählte, sie war kinderlos geblieben. Wenn man ihre Geheim—
111 geschicl'lte kannte, die dem „Prufesseur“ in der Halle des Pariser
112 Hotels sicherlich unbekannt geblieben war, konnte man die beiden
113 Zahlen der Prophezeiung vurstehen. Das Mädchen hama nach einer
114 ungewöhnlich intensiven Vatcrbindung geheiratet und sich dann
115 sehnlichst Kinder gewünscht, um ihren Mann an die. Stelle des
116 Vaters rücken zu können. Nach jahrelanger Enttäuschung, an der
117 Schwelle einer Neurose, holte sie. sich die Prophezeiung, die —
118 ihr das Schicksal ihrer Mutter versprach Auf diese traf es zu,
119 daß sie mit. zweiunddreißig Jahren zwei Kinder gehabt hatte, So
120 war es also nur mit Hilfe der Psychoanalyse möglich, die Eigen—
121 tümlichkeiten der angeblich von außen her erfolgenden Boischaft
122 sinnvoll zu deuten Dann aber konnte man den ganzen, so ein—
123 deutig bestimmten Sachverhalt nicht besser aullglären als durch
124 die Annahme, ein starker Wunsch der Befragendeu — in Wirk-
125lichkeit der stärkste unbewußte Wunsch ihres Aliektlebens und
126 der Motor ihrer keimenden Neurose — habe sich durch unmittel-
127bare Überlragung dem mit einer ablenkenden Hantiemng heschäf.
128 tigten VVahrsager kundgegeben.
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Ich habe auch bei Versuchen im intimen Kreise wiederholt
132 den Eindruck gewonnen, daß die Übertragung von stark effektiv
133 betonten Erinnerungen unschwer gelingt. Gen-am man sich, die
134 Einfia‘lle der Person, auf welche übertragen werden soll, einer
135 analytischen Bearbeitung zu unterziehen, so kommen oft Überein-
136stimmungen zum Vorschein, die sonst unkenntlich geblieben wären.
137 Aus manchen Erfahrungen hin ich geneigt, den Schluß zu ziehen,
138 daß solche Übertragungen besonders gut in dem Moment zustande
139 kommen, da eine Vurstellung aus dem Unbcwußten auftaucht,
140 theoretisch ausgedrückt, sobald sie aus dem „Primärvnrgnng“ in
141 den „Sekundärvnrgang“ übergeht.
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Bei aller durch die Tragweite, Neuheit und Dunkelheit des
143 Gegenstandes gebotenen Vorsicht, hielt ich es doch nicht mehr
144 für berechtigt, mit diesen Äußerungen zum Pmblcm der Tele—
145 pathie zurückzuhalten. Mit dem Traum hat dies alles nur so viel
146 zu tun: Wenn es telepathische Botschaften gibt, so ist; nicht ab—
147 1.uweisen, daß sie auch den Schlafenden erreichen und von ihm
148 im Traum erfaßt werden können. In nach der Analogie mit
149 anderem “'ahrnehmunge- und Gedankenmnteiial darf man es auch
150 nicht abweisen, daß telepnthische Botschaften, die während des
151 Tages aufgenommen wurden, erst im Traum der nächsten Nacht
152 zur Verarbeitung kommen. Es wäre dann nicht. einmal ein Ein-
153wand, wenn das teleputhisch vermittelte Material im Traum wie
154 ein anderes verändert und umgestaltet würde. Man möchfle gerne
155 mit Hilfe. der Psychoanalyse mehr und besser Gesicherres über
156 die Telepathie erfahren.
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