IILibidotheorie
§ 2LIBIDO ist ein Terminus aus der Trieblehre, zur Bezeichnung desPsychoanalyse eingeführt. Im folgenden soll nur dargestellt werden, welche Entwicklungen, die noch nicht abgeschlossen sind, die Trieblehre in der Psychoanalyse erfahren hat.
dynamischen Ausdrucks der Sexualität schon von A. Moll in diesem Sinne gebraucht (Untersuchungen über die Libido sexualis 1898), vom Referenten in die § 3GEGENSATZ VON SEXUALTRIEBEN UND ICHTRIEBEN.Selbsterhaltungstriebe) entgegenstellte, und befand sich dann in Übereinstimmung mit der populär gewordenen Aussage des Dichters, der das Weltgetriebe „durch Hunger und durch Liebe“ erhalten werden läßt. Die Libido war in gleichem Sinne die Kraftäußerung der Liebe, wie der Hunger des Selbsterhaltungstriebes. Die Natur der Ichtriebe blieb dabei zunächst unbestimmt und der Analyse unzugänglich wie alle anderen Charaktere des Ichs. Ob und welche qualitativen Unterschiede zwischen beiden Triebarten anzunehmen sind, war nicht anzugeben.
Die Psychoanalyse, die bald erkannte, daß sie alles seelische Geschehen über dem Kräftespiel der elementaren Triebe aufbauen müsse, sah sich in der übelsten Lage, da es in der Psychologie eine Trieblehre nicht gab und ihr niemand sagen konnte, was ein Trieb eigentlich ist. Es herrschte vollste Willkür, jeder Psychologe pflegte solche und so viele Triebe anzunehmen, als ihm beliebte. Das erste Erscheinungsgebiet, welches die Psychoanalyse studierte, waren die sogenannten Übertragungsneurosen (Hysterie und Zwangs neurose). Die Symptome derselben entstanden dadurch, daß sexuelle Trieb regungen von der Persönlichkeit (dem Ich) abgewiesen (verdrängt) worden waren und sich auf Umwegen durch das Unbewußte einen Ausdruck ver schafft hatten. Somit konnte man zurechtkommen, wenn man den Sexual trieben Ichtriebe (§ 4DIE URLIBIDO. Diese Dunkelheit versuchte C. G. Jung auf spekula tivem Wege zu überwinden, indem er nur eine einzige Urlibido annahm, die sexualisiert und desexualisiert werden konnte, und also im Wesen mit der seelischen Energie überhaupt zusammenfiel. Diese Neuerung war metho disch anfechtbar, sie stiftete viel Verwirrung, setzte den Terminus Libido zu einem überflüssigen Synonym herab und mußte in der Praxis doch immer zwischen sexueller und asexueller Libido unterscheiden. Der Unter schied zwischen den Sexualtrieben und den Trieben mit anderen Zielen war eben auf dem Wege einer neuen Definition nicht aufzuheben.
§ 5DIE SUBLIMIERUNG. Das bedächtige Studium der allein analytischQuelle, nämlich die Körper region oder Zone, aus welcher er seine Erregung bezog. Außerdem war an ihm ein Objekt und ein Ziel zu unterscheiden. Das Ziel war immer die Befriedigungsabfuhr, es konnte aber eine Wandlung von der Aktivität zur Passivität erfahren. Das Objekt hing dem Trieb minder fest an als man zunächst gemeint hatte, es wurde leicht gegen ein anderes eingetauscht, auch konnte der Trieb, der ein äußeres Objekt gehabt hatte, gegen die eigene Person gewendet werden. Die einzelnen Triebe konnten unabhängig voneinander bleiben oder — in noch unvorstellbarer Weise — sich kom binieren, zur gemeinsamen Arbeit verschmelzen. Sie konnten auch für einander eintreten, einander ihre Libidobesetzung übertragen, so daß die Befriedigung des einen an Stelle der Befriedigung der anderen trat. Am bedeutsamsten erschien das Triebschicksal der Sublimierung, bei dem Objekt und Ziel gewechselt werden, sodaß der ursprünglich sexuelle Trieb nun in einer nicht mehr sexuellen, sozial oder ethisch höher gewerteten Leistung Befriedigung findet. Alles dies sind Züge, welche sich noch zu keinem Gesamtbild zusammensetzen.
zugänglichen Sexualstrebungen hatte unterdes bemerkenswerte Einzelein sichten ergeben. Was man den Sexualtrieb nannte, war hoch zusammen gesetzt und konnte wieder in seine Partialtriebe zerfallen. Jeder Partialtrieb war unabänderlich charakterisiert durch seine § 6DER NARZISSMUS. Ein entscheidender Fortschritt erfolgte, als manNarzißmus genannt. Nun hieß man die Libido der Selbst erhaltungstriebe narzißtische Libido und anerkannte ein hohes Maß von solcher Selbstliebe als den primären und normalen Zustand. Die frühere Formel für die Übertragungsneurosen bedurfte jetzt zwar nicht einer Kor rektur, aber doch einer Modifikation; anstatt von einem Konflikt zwischen Sexualtrieben und Ichtrieben sprach man besser vom Konflikt zwischen Objektlibido und Ichlibido, oder, da die Natur der Triebe dieselbe war, zwischen den Objektbesetzungen und dem Ich.
sich an die Analyse der Dementia praecox und anderer psychotischer Affek tionen heranwagte und somit das Ich selbst zu studieren begann, das man bisher nur als verdrängende und widerstrebende Instanz gekannt hatte. Man erkannte als den pathogenen Vorgang bei der Demenz, daß die Libido von den Objekten abgezogen und im Ich eingeführt wird, während die lärmenden Krankheitserscheinungen von dem vergeblichen Bestreben der Libido her rühren, den Rückweg zu den Objekten zu finden. Es war also möglich, daß sich Objektlibido in Ichbesetzung umwandte, und umgekehrt. Weitere Erwägungen zeigten, daß dieser Vorgang im größten Ausmaß anzunehmen sei, daß das Ich vielmehr als ein großes Libidoreservoir angesehen werden mußte, aus dem Libido auf die Objekte entsandt wird, und das immer bereit ist, die von den Objekten rückströmende Libido aufzunehmen. Die Selbsterhaltungstriebe waren also auch libidinöser Natur, es waren Sexual triebe die anstatt der äußeren Objekte das eigene Ich zum Objekt genommen hatten. Man kannte aus der klinischen Erfahrung Personen, die sich in auf fälliger Weise so benahmen, als wären sie in sich selbst verliebt, und hatte diese Perversion § 7SCHEINBARE ANNÄHERUNG AN DIE JUNGSCHE AUFFASSUNG.
Auf solche Art gewann es den Anschein, als ob auch die langsame psycho analytische Forschung der Jungschen Spekulation von der Urlibido nach gekommen wäre, besonders da mit der Umwandlung der Objektlibido in Narzißrnus eine gewisse Desexualisierung, ein Aufgeben der speziellen Sexual ziele, unvermeidlich verbunden ist. Indes drängt sich die Erwägung auf, daß, wenn die Selbsterhaltungstriebe des Ichs als libidinös anerkannt sind, damit noch nicht bewiesen ist, daß im Ich keine anderen Triebe wirken. § 8DER HERDENTRIEB. Von vielen Seiten wird behauptet, daß es einen
besonderen, angeborenen und nicht weiter auflösbaren „Herdentrieb“ gibt, der das soziale Verhalten der Menschen bestimmt, die einzelnen zur Vereinigung in größeren Gemeinschaften drängt. Die Psychoanalyse muß dieser Auf stellung widersprechen. Wenn der soziale Trieb auch angeboren sein mag, so ist er doch ohne Schwierigkeit auf ursprünglich libidinöse Objekt besetzungen zurückzuführen und entwickelt sich beim kindlichen Indivi duum als Reaktionsbildung auf feindselige Rivalitätseinstellungen. Er beruht auf einer besonderen Art von Identifizierung mit dem anderen. § 9ZIELGEHEMMTE SEXUALSTREBUNGEN. Die sozialen Triebe
gehören zu einer Klasse von Triebregungen, die man noch nicht sublimierte zu nennen braucht, wenngleich sie diesen nahestehen. Sie haben ihre direkt sexuellen Ziele nicht aufgegeben, werden aber von der Erreichung derselben durch innere Widerstände abgehalten, begnügen sich mit gewissen An näherungen an die Befriedigung und stellen gerade darum besonders feste und dauerhafte Bindungen unter den Menschen her. Von dieser Art sind insbesondere die ursprünglich vollsexuellen Zärtlichkeitsbeziehungen zwischen Eltern und Kindern, die Gefühle der Freundschaft und die aus sexueller Zuneigung hervorgegangenen Gefühlsbindungen in der Ehe. § 10ANERKENNUNG ZWEIER TRIEBARTEN IM SEELENLEBEN.Todestriebe“ und würden, durch das Zusammenwirken der vielen zelligen Elementar organismen nach außen gewendet, als Destruktions- oder Aggressions tendenzen zum Vorschein kommen. Die anderen wären die uns analytisch besser bekannten libidinösen Sexual- oder Lebenstriebe, am besten als Eros zusammengefaßt, deren Absicht es wäre, aus der lebenden Substanz immer größere Einheiten zu gestalten, somit die Fortdauer des Lebens zu erhalten und es Zu höheren Entwicklungen zu führen. In den Lebewesen wären die erotischen und die Todestriebe regelmäßige Vermischungen, Legierungen, eingegangen; es wären aber auch Entmischungen derselben möglich; das Leben bestünde in den Äußerungen des Konflikts oder der Interferenz beider Triebarten und brächte dem Individuum den Sieg der Destruktions triebe durch den Tod, aber auch den Sieg des Eros durch die Fortpflanzung.
Während die psychoanalytische Arbeit sonst bestrebt ist, ihre Lehren mög lichst unabhängig von denen anderer Wissenschaften zu entwickeln, sieht sie sich doch genötigt, für die Trieblehre Anlehnung bei der Biologie zu suchen. Auf Grund weitläufiger Erwägungen über die Vorgänge, die das Leben ausmachen und die zum Tode führen, wird es wahrscheinlich, daß man zwei Triebarten anzuerkennen hat, entsprechend den entgegengesetzten Prozessen von Aufbau und Abbau im Organismus. Die einen Triebe, die im Grunde geräuschlos arbeiten, verfolgten das Ziel, das lebende Wesen zum Tode zu führen, verdienten darum den Namen der „§ 11DIE NATUR DER TRIEBE. Auf dem Boden dieser Auffassung läßt
sich für die Triebe die Charakteristik geben, sie seien der lebenden Substanz innewohnende Tendenzen zur Wiederherstellung eines früheren Zustandes, also historisch bedingt, konservativer Natur, und gleichsam der Ausdruck einer Trägheit oder Elastizität des Organischen. Beide Triebarten, der Eros wie der Todestrieb, würden von der ersten Entstehung des Lebens an wirken und gegen einander arbeiten.