Ein Beitrag zum Vergessen von Eigennamen (1901-002/1911)

Über das Werk

  • Herausgegeben von
  • Diercks, Christine
  • Rohrwasser, Michael
  • Konzept für die Edition und die Datenbank, Richtlinien, Quellenforschung, Signaturen, Referenzsystem
  • Diercks, Christine
  • Quellenforschung, Digitalisierung der Datenquellen, Bildbearbeitung, Faksimile-Ausgabe, Bibliografie
  • Blatow, Arkadi
  • Diplomatische Umschrift, Lektorat
  • Diercks, Christine
  • Huber, Christian
  • Kaufmann, Kira
  • Liepold, Sophie
  • Technische Umsetzung der Datenbank und der digitalen Instrumente
  • Roedelius, Julian
  • Datenexport aus Drupal und TEI Serialisierung
  • Andorfer, Peter
  • Stoxreiter, Daniel

Freud, Sigmund: Ein Beitrag zum Vergessen von Eigennamen (1901-002/1911). In: Andorfer, Peter; Blatow, Arkadi; Diercks, Christine; Huber, Christian; Kaufmann, Kira; Liepold, Sophie; Roedelius, Julian; Rohrwasser, Michael; Stoxreiter, Daniel (2022): Sigmund Freud Edition: Digitale Historisch-Kritische Gesamtausgabe, Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage, Wien. [3.4.2023], file:/home/runner/work/frd-static/frd-static/data/editions/plain/sfe-1901-002__1911.xml
§ 1

Mitteilungen.

§ 2

Ein Beitrag zum Vergessen von Eigennamen.

§ 3

Zwei Männer, ein älterer und ein jüngerer, die vor sechs Monaten gemeinsam in Sizilien gerei5t sind, tauschen Erinnerungen an jene schönen und inhaltsreiehen Tage aus. „Wie hat nur der Ort geheissen“, fragt der Jüngere, „an dem wir übernachbet haben, um die Partie nach Selimm‘t zu machen? Calatatimi, nicht wahr?" , Der Ältere weist dies zurück: „Gewiss nicht, aber ich habe den Namen ehenialls vergessen, obwohl ich mich an alle Einzelheiten des Aufenthaltes dort sehr gut erinnere. Es reicht bei mir hin, dass ich merke, ein anderer habe einen Namen ven gessen; sogleich wird auch bei mir das Vergessen induziert. Wollen wir den Namen nicht suchen? Mir fällt aber kein anderer ein als C alta.nisetta, der doch gewiss nicht der richtige ist.“ — „Nein“, sagt der Jüngere, „der Name hängt mit w an oder es kommt ein W darin vor.“ — ,„Ein W gibt es duch im Italienischen nicht“, mahnt der Ältere. — „ich meinte ja. auch um- ein v und habe nur w gesagt, weil ich's vun meiner Mutters'prncllre her so gewöhnt hin." — Der Ältere sträubt sich gegen das v, Er meint: „ich glaube, ich habe überhaupt schon viele sizilianische Namen vergessen; es wäre an der Zeit, Versuche zu machen Wie heisst z, B. der hoch» gelegene Ort, der im Altertum Erin & geheissen hat? *Ah ich Weiss schon: Castrogiovanni". — Im nächsten Moment hat der Jüngere auch den verlorenen Namen wiedergefunden, Er ruft: Castelvetrano und freut sich, das behauptete v nachweisen zu können, Der Ältere vermisst noch eine Weile das Bekanntheitsgefiihl; nachdem er aber den Namen akzeptiert hat, soll er Auskunft darüber geben, weshalb er ihm entfallen war, Er meint: „Offenbar weil die zweite Hälfte vetrano an„Veteran“ anklingt. Ich weiss schon, dass ich nicht gerne aus Altern denke und in sunderbarer Weise magiere, wenn ich daran gemahnt werde, 50 z. E. habe ich unlängst einem hochgesnhätzten Freund in der merkwürdigslen Einkleidung vorgehalten, dass er „längst über die Jahre der Jugend hinaus sei“, weil dieser früher einmal mitten unter den schmeichelhuftesten Äusse rungen über mich auch behauptete: „ich sei kein junger Mann mehr!“ Das sich der Widerstand bei mit gegen die zweite Hälfte des Namens Castelvetrano gerichtet hat, geht ja auch daraus hervor, dass der Anlaut desselben in dem Ersatznamen Caltanisetta wiedergekehrt war.“ , „Und der Name Caltanisetta selbst?“ fragt der Jüngere. —

§ 4

§ 5

408 Zum Thum: der Znhnreiztrlume.

§ 6

„Der ist mir immer wie ein Kasenamen fiir ein junges Weib erschienen“, gesteht der Ältere ein

§ 7

Einige Zeit später setzt er hinzu: „Der Name für E una war ja auch ein Ersatzname. Und nun fällt mir auf, dass dieser mit. Hilfe einer Rationalisieng vnrdrin.gende Namen Castro g io vanni genau so an gio. vane jung anktingt, wie der verlm'ene Name Castelvetra.nn an Veteran alt."

§ 8

Der Ältere glaubt so für sein Namenverge’ssen Rechenschaft gegeben zu haben. Aus welchem Motiv der Jüngere zum gleichen Ausfallphä.nomen gekommen war, wurde nicht untersucht, Freud.

§ 9

Zum Thema der Zahnreizträume

§ 10

ist mir von einem Knllegen, der sich seit einiger Zeit für die Probleme der Traumdeutung lehhafter zu interessieren beginnt, der folgende Bericht zugekomrnen:

§ 11

„Mir t "umte kürzlich, ich sei beim Zahnarzt, der mir einen rückwärtigen Zahn des Unterkiefers aushohrt. Er arbeitet so lange daran herum, bis der Zahn unhrauchhar geworden ist. Dann fasst er ihn mit der Zange und zieht ihn mit einer spielenden Leichtigkeit heraus, die mich in Verwunderung setzt. Er sagt, ich solle mit nichts daraus machen, denn das sei gar nicht der eigentlich behandelte Zahn und legt ihn auf den Tisch, WD der Zahn (wie mir nun scheint, ein iuberer Schneidezahn) in mehrere Schichten zerfällt. Ich erhebe mich vom 0perationsstuhl, trete neugierig näher und stelle interessiert eine medizinische Frage. Der Arzt erklärt mir, während er die einzelnen Teilstücke des auffallend weissen Zahnes sondert und mit einem Instrument zermalmt (pulverisiert), dass das mit der Pubertät zusammenhänge, und dass die Zähne nur vor der Pubertät S‘D leiéht herausgeben; bei Frauen sei das hierfür entscheidende Moment die Geburt eines Kindes. —— Ich merke dann (wie ich glaube im Halbschlat), dass dieser Traum von einer Pollution begleitet war, die ich aber nicht mit; Sicherheit an eine biz—stimmte Stelle des Traumes einzureihen weiss; am ehesten scheint sie mir noch beim Herausziehen des Zahnes eingetreten zu sein.

§ 12

1611 träume dann Weiter einen mir nicht mehr er4 innerlichen Vorgang, der damit abschloss, dass i0h Hut und Beck, in der Hoffnung, man Werde mir die Klei— dungsstücke nachhringen, irgendwo (möglicherweise in der Garderobe des Zahnarztes) zurücklassend und bloss mit dem Überrnek bekleidet, mich heeilte, einen ahgehenden Zug noch zu erreichen. Es gelang mit auch im letzten Moment auf den rückwärtigen \Vaggon aufzuspringen, wo bereits jemand stand. Ich konnte jedoch nicht mehr in das Innere des Wagens gelangen, sondern musste in einer unbequemen Stellung, aus der ich mich mit schliesslichem Erfolge zu befreien versuchte, die

§ 13

§ 14