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§ 2Über einige neurotische Mechanismen bei Eifersucht, Paranoia
und Homosexualität.§ 3Von Sigm. Freud.
§ 4A) Die Eifersucht gehört zu den Affektzuständen, die man ähnlich wie die Trauer als normal bezeichnen darf. Wo sie im Charakter und Benehmen eines Menschen zu fehlen scheint, ist der Schluß gerechtfertigt, daß sie einer starken Verdrängung erlegen ist und darum im unbewußten Seelenleben eine um so größere Rolle spielt, Die Fälle von abnorm verstärkter Bifersucht, mit denen die Analyse zu tun bekommt, erweisen sich als dreifach geschichtet. Die drei Schichten oder Stufen der Eifersucht ver dienen die Namen der 1. konkurrierenden oder normalen, 2. der projizierten, 3. der wahnhaften.
§ 5Über die normale Eifersucht ist analytisch wenig zu sagen.
Es ist leicht zu sehen, daß sie sich wesentlich zusammensetzt aus der Trauer, dem Schmerz um das verloren geglaubte Liebes objekt, und der narzißtischen Kränkung, soweit sich diese vom anderen sondern läßt, ferner aus feindseligen Gefühlen gegen den bevorzugten Rivalen und aus einem mehr oder minder großen Beitrag von Selbstkritik, die das eigene Ich für den Liebesverlust verantwortlich machen will. Diese Eifersucht ist, wenn wir sie auch normal heißen, keineswegs durchaus rationell, d. h. aus aktuellen Beziehungen entsprungen, den wirklichen Verhältnissen proportional und restlos vom bewußten Ich beherrscht, denn sie wurzelt tief im Unbewußten, setzt früheste Regungen der kindlichen Affekti vität fort und stammt aus dem Ödipus- oder aus dem Geschwister komplex der ersten Sexualperiode. Es ist immerhin bemerkens wert, daß sie von manchen Personen bisexuell erlebt wird, das heißt beim Manne wird außer dem Schmerz um das geliebte Weib und dem Haß gegen den männlichen Rivalen auch Trauer um den unbewußt geliebten Mann und Haß gegen das Weib als Rivalin bei ihm zur Verstärkung wirksam. Ich weiß auch von einem Manne, der sehr arg unter seinen Eifersuchtsanfällen litt und die nach seinen Angaben ärgsten Qualen in der bewußten Versetzung in das ungetreue Weib durchmachte. Die Empfindung der Hilflosig keit, die er dann verspürte, die Bilder, die er für seinen Zustand fand, als ob er wie Prometheus dem Geierfraß preisgegeben oder gefesselt in ein Schlangennest geworfen worden wäre, bezog er selbst auf den Eindruck mehrerer homosexueller Angriffe, die er als Knabe erlebt hatte. § 6Die Eifersucht der zweiten Schicht oder die projizierte, geht beim Manne wie beim Weibe aus der eigenen im Leben betätigten Untreue oder aus Antrieben zur Untreue hervor, die der Ver drängung verfallen sind. Es ist eine alltägliche Erfahrung, daß die Treue, zumal die in der Ehe geforderte, nur gegen beständige Versuchungen aufrecht erhalten werden kann. Wer dieselben in sich verleugnet, verspürt deren Andrängen doch so stark, daß er gerne einen unbewußten Mechanismus zu seiner Erleichterung in Anspruch nimmt. Eine solche Erleichterung, ja einen Freispruch vor seinem Gewissen, erreicht er, wenn er die eigenen Antriebe zur Untreue auf die andere Partei, welcher er die Treue schuldig ist, projiziert. Dieses starke Motiv kann sich dann des Wahr nehmungsmaterials bedienen, welches die gleichartigen unbewußten Regunsen des anderen Teiles verrät, und könnte sich durch die Überlegung: rechtfertigen, daß der Partner oder die Partnerin wahrscheinlich auch nicht viel besser ist, als man selbst11.
§ 7Die gesellschaftlichen Sitten haben diesem allgemeinen Sach
verhalt in kluger Weise Rechnung getragen, indem sie der Gefall sucht der verheirateten Frau und der Eroberungssucht des Ehe mannes einen sewissen Spielraum gestatten m der Erwartung, die unabweisbare Neigung zur Untreue dadurch zu drainieren und unschädlich zu machen. Die Konvention setzt fest, daß beide Teile diese kleinen Schrittchen in der Richtung der Untreue einander nicht anzurechnen haben, und erreicht zumeist, daß die am fremden Objekt entzündete Begierde in einer gewissen Rückkehr zur Treue am eigenen Objekt befriedigt wird. Der Eifersüchtige will aber diese konventionelle Toleranz nicht anerkennen, er glaubt nicht, 1 Vergl. die Strophe im Lied der Desdemona; I called him thou false one, what answered he then? If I court more women, you will couch with more men. (Ich nannt' ihn: Du Falscher. Was sagt er dazu? Schau ich nach den Mägdlein, nach den Büblein schielst du.) § 8daß es ein Stillhalten oder Umkehren auf dem einmal betretenen
Weg gibt, daß der gesellschaftliche „Flirt“ auch eine Versicherung gegen wirkliche Untreue sein kann. In der Behandlung eines solchen Eifersüchtigen muß man es vermeiden, ihm das Material, auf das er sich stützt, zu bestreiten, man kann ihn nur zu einer anderen Einschätzung desselben bestimmen wollen. § 9Die durch solche Projektion entstandene Eifersucht hatwahnhaften. Auch diese geht aus ver drängten Untreuestrebungen hervor, aber die Objekte dieser Phan tasien sind gleichgeschlechtlicher Art. Die wahnhafte Eifersucht entspricht einer vergorenen Homosexualität und behauptet mit Recht ihren Platz unter den klassischen Formen der Paranoia. Als Versuch zur Abwehr einer überstarken homosexuellen Regung wäre sie (beim Manne) durch die Formel zu umschreiben:
zwar fast wahnhaften Charakter, sie widersteht aber nicht der analytischen Arbeit, welche die unbewußten Phantasien der eigenen Untreue aufdeckt. Schlimmer ist es mit der Eifersucht der dritten Schicht, der eigentlich § 10Ich liebe ihn ja nicht, sie liebt ihn11.
§ 11In einem Falle von Eifersuchtswahn wird man darauf vor
bereitet sein, die Eifersucht aus allen drei Schichten zu finden, niemals die aus der dritten allein. § 12B) Paranoia. Aus bekannten Gründen entziehen sich (Fälle von Paranoia zumeist der analytischen Untersuchung. Indes konnte ich doch in letzter Zeit aus dem intensiven Studium zweier Paranoiker einiges, was mir neu war, entnehmen.
§ 13Der erste Fall betraf einen jugendlichen Mann mit voll aus
gebildeter Eifersuchtsparanoia, deren Objekt seine tadellos getreue Frau war. Eine stürmische Periode, in der ihn der Wahn ohne Unterbrechung beherrscht hatte, lag bereits hinter ihm. Als ich ihn sah, produzierte er nur noch gut gesonderte Anfälle, die über mehrere Tage anhielten und interessanterweise regelmäßig am Tage nach einem, übrigens für beide Teile befriedigenden, Sexual akt auftraten. Es ist der Schluß berechtigt, daß jedesmal nach der Sättigung der heterosexuellen Libido die mitgereizte homosexuelle Komponente sich ihren Ausdruck im Eifersuchtsanfall erzwang. § 14Sein Material bezog der Anfall aus der Beobachtung der
kleinsten Anzeichen, durch welche sich die völlig unbewußte Koketterie der Frau, einem anderen unmerklich, ihm verraten hatte. Bald hatte sie den Herrn, der neben ihr saß, unabsichtlich mit ihrer Hand gestreift, bald ihr Gesicht zu sehr gegen ihn geneigt oder ein freundlicheres Lächeln aufgesetzt, als wenn sie mit ihrem Mann allein war, Für all diese Äußerungen ihres Unbewußten zeigte er eine außerordentliche Aufmerksamkeit und verstand sie immer richtig zu deuten, so daß er eigentlich immer Recht hatte und die Analyse noch zur Rechtfertigung seiner Eifersucht anrufen konnte. Eigentlich reduzierte sich seine Abnormität darauf, daß er das Unbewußte seiner Frau schärfer beobachtete und dann weit höher einschätzte, als einem anderen eingefallen wäre. 1 Vergl. die Ausführungen zum Falle Schreber in „Sammlung kleiner Schriften“, dritter Folge: Psychoanalytische Bemerkungen über einen auto biographisch beschriebenen Fall von Paranoia (Dementia paranoides). § 15Wir erinnern uns daran, daß auch die verfolgten Paranoiker
sich ganz ähnlich benehmen. Auch sie anerkennen bei Anderen nichts Indifferentes und verwerten in ihrem „Beziehungswahn“ die kleinsten Anzeichen, die ihnen diese Anderen, Fremden geben. Der Sinn ihres Beziehüngswahnes ist nämlich, daß sie von allen Fremden etwas wie Liebe erwarten; diese: Anderen zeigen ihnen aber nichts dergleichen, sie lachen vor sich hin, fuchteln mit ihren Stöcken oder spucken sogar auf den Boden, wenn sie vorbeigehen, und das tut man wirklich nicht, wenn man an der Person, die in der Nähe ist, irgend ein freundliches Interesse nimmt. Man tut es nur dann, wenn einem diese Person ganz gleichgültig ist, wenn man sie als Luft behandeln kann, und der Paranoiker hat bei der Grundver wandtschaft der Begriffe „fremd“ und „feindlich“ nicht so unrecht, wenn er solche Indifferenz im Verhältnis zu seiner Liebesforderung als Feindseligkeit empfindet. § 16Es ahnt uns nun, daß wir das Verhalten des eifersüchtigen
wie des verfoleten Paranoikers sehr ungenügend beschreiben, wenn wir sagen, sie projizieren nach außen auf Andere hin, was sie im eigenen Inneren nicht wahrnehmen wollen. § 17Gewiß tun sie das, aber sie projizieren sozusagen nicht ins
Blaue hinaus, nicht dorthin, wo sich nichts Ähnliches findet, sondern sie lassen sich von ihrer Kenntnis des Unbewußten leiten und verschieben auf das Unbewußte der Anderen die Aufmerksamkeit, die sie dem eigenen Unbewußten entziehen. Unser Eifersüchtiger erkennt die Untreue seiner Frau an Stelle seiner eigenen; indem er die seiner Frau sich in riesiger Vergrößerung bewußt macht, gelingt es ihm, die eigene unbewußt zu erhalten. Wenn wir sein Beispiel für maßgebend erachten, dürfen wir schließen, daß auch die Feindseligkeit, die der Verfolgte bei Anderen findet, der Wieder schein der eigenen feindseligen Gefühle gegen diese Anderen ist. Da wir wissen, daß beim Paranoiker gerade die geliebteste Person des gleichen Geschlechts zum Verfolger wird, entsteht die Frage, woher diese Affektumkehrung rührt, und die naheliegende Antwort wäre, daß die stets vorhandene Gefühlsambivalenz die Grundlage für den Haß abgibt und die Nichterfüllung der Liebesansprüche ihn verstärkt. So leistet die Gefühlsambivalenz dem Verfolgten denselben Dienst zur Abwehr der Homosexualität, wie unserem Patienten die Eifersucht. § 18Die Träume meines Eifersüchtigen bereiteten mir eine große
Überraschung. Sie zeigten sich zwar nicht gleichzeitig mit dem Ausbruch des Anfalls, aber doch noch unter der Herrschaft des Wahns, waren vollkommen wahnfrei und ließen die zugrunde liegenden homosexuellen Regungen in nicht stärkerer Verkleidung als sonst gewöhnlich erkennen. Bei meiner geringen Erfahrung über die Träume von Paranoikern lag es mir damals nahe, allge mein anzunehmen, die Paranoia dringe nicht in den Traum. § 19Der Zustand der Homosexualität war bei diesem Patienten
leicht zu überblicken. Er hatte keine Freundschaft und keine sozialen Interessen gebildet, man mußte den Eindruck bekommen, als ob erst der Wahn die weitere Entwicklung seiner Beziehungen zum Manne übernommen hätte, wie um ein Stück des Versäumten nachzuholen. Die geringe Bedeutung des Vaters in seiner Familie und ein beschämendes homosexuelles Trauma in frühen Knaben jahren hatten zusammengewirkt, um seine Homosexualität in die Verdrängung zu treiben und ihr den Weg zur Sublimierung zu verlegen. Seine ganze Jugendzeit war von einer starken Mutter Bindung beherrscht. Unter vielen Söhnen war er der erklärte Liebling der Mutter und entwickelte auf sie bezüglich eine starke Eifersucht von normalem Typus. Als er später eine Ehewahl traf, wesentlich unter der Herrschaft des Motivs, die Mutter reich zu machen, äußerte sich sein Bedürfnis nach einer virginalen Mutter in zwanghaften Zweifeln an der Virginität seiner Braut. Die ersten Jahre seiner Ehe waren von Eifersucht frei. Er wurde dann seiner Frau untreu und ging ein langdauerndes Verhältnis mit einer anderen ein. Erst als er diese Liebesbeziehung, durch einen bestimmten Verdacht geschreckt, aufgegeben hatte, brach bei ihm eine Eifersucht vom zweiten, vom Projektionstypus, los, mit welcher er die Vorwürfe wegen seiner Untreue beschwichtigen konnte. Sie komplizierte sich bald durch das Hinzutreten der homosexuellen Regungen, deren Objekt der Schwiegervater war, zur vollen Eifersuchtsparanoia. § 20Mein zweiter Fall wäre wahrscheinlich ohne Analyse nicht
als Paranoia persecutoria klassifiziert worden, aber ich mußte den jungen Mann als einen Kandidaten für diesen Krankheitsausgang auflassen. Es bestand bei ihm eine Ambivalenz im Verhältnis zum Vater von ganz außerordentlicher Spannweite. Er war einerseits der ausgesprochenste Rebell, der sich manifest in.allen Stücken von den Wünschen und Idealen des Vaters weg entwickelt hatte, andererseits in tieferer Schieht noch immer der unterwürfigste Sohn, der nach dem Tode des Vaters sich in zärtlichem Schuld bewußtsein den Genuß des Weibes versagte. Seine realen Beziehungen zu Männern standen offenbar unter dem Zeichen des Mißtrauens; mit seinem starken Intellekte wußte er diese Einstellung zu rationalisieren und verstand es so einzurichten, daß er von Bekannten und Freunden betrogen und ausgebeutet wurde. Was ich Neues an ihm lernte, war, daß klassische Verfolgungsgedanken vorhanden sein können, ohne Glauben und Anwert zu finden. Sie blitzten während seiner Analyse gelegentlich auf, aber er legte ihnen Keine Bedeutung; bei und bespöttelte sie regelmäßig. Dies mag in vielen Fällen von Paranoia ähnlich vorkommen, und wenn eine solche Erkrankung losbricht, halten wir vielleicht die geäußerten Wahnideen für Neuproduktionen, während sie längst bestanden haben mögen. § 21Es scheint mir eine wichtige Einsicht, daß ein qualitativesökonomischen Gesichtspunkt in den Vordergrund zu rücken. Ich möchte auch die Rrage aufwerfen, ob das hier betonte quantitative Moment nicht hinreicht, um die Phänomene zu decken, für die Bleuler und andere neuerdings den Begriff der „Schaltung“ einführen wollen. Man müßte nur annehmen, daß eine Widerstands Steigerung in einer Richtung des psychischen Ablaufs eine Über besetzung eines anderen Weges und damit die Einschaltung des selben in den Ablauf zur Folge hat.
Moment, das Vorhandensein gewisser neurotischer Bildungen, praktisch weniger bedeutet als das quantitative Moment, welchen Grad von Aufmerksamkeit, richtiger, welches Maß von Besetzung diese Gebilde an sich ziehen können. Die Erörterung unseres ersten Falles, der Eifersuchtsparanoia, hatte uns zur gleichen Wert schätzung des quantitativen Moments aufgefordert, indem sie uns zeigte, daß dort die Abnormität wesentlich in der Überbesetzung der Deutungen des fremden Unbewußten bestand. Aus der Analyse der Hysterie kennen wir längst eine analoge Tatsache. Die patho genen Phantasien, Abkömmlinge verdrängter Triebregungen, wer den lange Zeit neben dem normalen Seelenleben geduldet und wirken nicht eher pathogen, als bis sie aus einem Umschwung; der Libidoökonomie eine Überbesetzung erhalten; erst dann bricht der Konflikt los, der zur Symptombildung führt. Wir werden so im Fortschritt unserer Erkenntnis immer mehr dazu gedrängt, den § 22Ein lehrreicher Gegensatzzeigte sich bei meinen zwei Fällen
von Paranoia im Verhalten der Träumer. Während im ersten Fall die Träume, wie, erwähnt, wahnfrei waren, produzierte der andere Patient in großer Zahl Verfolgungsträume, die man als Vorläufer oder Ersatzhildungen für die Wahnideen gleichen Inhalts ansehen Kann. Das Verfolgende,. dem er sich nur mit großer Angst ent ziehen konnte, war in der Regel ein starker Stier oder ein anderes Symbol der Männlichkeit, das er manchmal noch im Traum selbst als Vatervertretung erkannte. Einmal berichtete er einen sehr charakteristischen paranoischen Übertragungstraum. Er sah, daß ich mich in seiner Gegenwart rasierte, und merkte am Geruche, daß ich dabei dieselbe Seife wie sein Vater gebrauchte. Das tat ich, um ihn zur Vaterübertragung auf meine Person zu nötigen. In der Wahl der geträumten Situation erwies sich unverkennbar die Geringschätzung des Patienten für seine paranoischen Phanta sion und sein Unglaube gegen sie, denn der tägliche Augen schein konnte ihn belehren, daß ich überhaupt nicht in die Lage komme, mich einer Rasierseife zu bedienen und also in diesem Punkte der Vaterübertragung keinen Anhalt biete. § 23Der Vergleich der Träume bei unseren beiden PatientenForm des Denkens, eine Umformung des vorbewußten Denk Stoffes durch (die Traumarbeit und ihre Bedingungen). Auf das Ver drängte ist unsere Terminologie der Neurosen nicht anwendbar, es kann weder hysterisch, noch zwangsneurotisch, noch paranoisch genannt werden. Dagesen kann der andere Anteil des Stoffes, welcher der Traumbildung unterliegt, die vorbewußten Gedanken, normal sein oder den Charakter irgend einer Neurose an sich tragen. Die vorbewußten Gedanken mögen Ergebnisse all jener pathogenen Prozesse sein, in denen wir das Wesen einer Neurose erkennen. Es ist nicht einzusehen, warum nicht jede solche krank hafte Idee die Umformung in einen Traum erfahren sollte, Ein Traum kann also ohne weiteres einer hysterischen Phantasie, einer Zwangsvorstellung, einer Wahnidee entsprechen, d. h. bei seiner Deutung eine solche ergeben. In unserer Beobachtung an zwei Paranoikern finden wir, daß der Traum des einen normal ist, während sich der Mann im Anfall befindet, und daß der des anderen einen paranoischen Inhalt hat, während der Mann noch über seine Wahnideen spottet. Der Traum hat also in beiden Fällen auf genommen, was im Wachleben derzeit zurückgedrängt war. Aber auch das braucht nicht die Regel zu sein.
belehrt uns aber, daß unsere Fragestellung, ob die Paranoia (oder eine andere Psychoneurose) auch in den Traum dringen könne, nur auf einer unrichtigen Auffassung des Traumes beruht. Der Traum unterscheidet sich vom Wachdenken darin, daß er Inhalte (aus dem Bereich des Verdrängten) aufnehmen kann, die im Wach denken nicht vorkommen dürfen. Davon abgesehen ist er nur eine § 24C) Homosexualität. Die Anerkennung des organischen Faktors der Homosexualität überhebt uns nicht der Verpflichtung, die psychischen Vorgänge bei ihrer Entstehung zu studieren. Der typische, bereits bei einer Unzahl von Fällen festgestellte Vorgang besteht darin, daß der bis dahin intensiv an die Mutter fixierte junge Mann einige Jahre nach abgelaufener Pubertät eine Wendung vornimmt, sich selbst mit der Mutter identifiziert und nach Liebes objekten ausschaut, in denen er sich selbst wiederfinden kann, die er dann lieben möchte, wie die Mutter ihn geliebt hat. Als Merk zeichen dieses Prozesses stellt sich gewöhnlich für viele Jahre die Liebesbedingung her, daß die männlichen Objekte das Alter haben müssen, in dem bei ihm die Umwandlung erfolgt ist. Wir haben verschiedene Faktoren kennen gelernt, die wahrscheinlich in wechselnder Stärke zu diesem Ergebnis beitragen. Zunächst die Mutterfixierung, die den Übergang, zu einem anderen Weibobjekt erschwert. Die Identifizierung mit der Mutter ist ein Ausgang dieser Objektbindung und ermöglicht es gleichzeitig, diesem ersten Objekt in gewissem Sinne treu zu bleiben, Sodann die Neigung zur narzißtischen Objektwahl, die im allgemeinen näher liest und leichter auszuführen ist, als die Wendung zum änderen Geschlecht. Hinter diesem Moment verbirgt sich ein anderes von ganz beson derer Stärke oder es fällt vielleicht mit ihm zusammen: die Hoch schätzung des männlichen Organs und die Unfähigkeit, auf dessen Vorhandensein beim Liebesobjekt zu verzichten. Die Geringschätzung des Weibes, die Abneigung gegen dasselbe, ja der Abscheu vor ihm, leiten sich in der Regel von der früh gemachten Entdeckung ab, daß das Weib keinen Penis besitzt. Später haben wir noch als mächtiges Motiv für die homosexuelle Objektwahl die Rücksicht auf den Vater oder die Angst vor ihm kennen gelernt, da der Verzicht auf das Weib die Bedeutung hat, daß man der Konkur renz mit ihm (oder allen männlichen Personen, die für ihn ein treten) ausweicht. Die beiden letzten. Motive, das Festhalten an der Penisbedingung sowie das Ausweichen, können dem Kastrations komplex zugezählt werden. Mutterbindung — Narzißmus — Kastrationsangst, diese übrigens in keiner Weise spezifischen Momente hatten wir bisher in der psychischen Ätiologie der Homosexualität aufgefunden, und zu ihnen gesellten sich noch der Einfluß der Verführung, welche eine frühzeitige Fixierung der Libido verschuldet, sowie der des organischen Faktors, der die passive Rolle im Liebesleben begünstigt.
§ 25Wir haben aber niemals geglaubt, daß diese Analyse der Ent11. Hier wie dort sind zunächst eifersüchtige und feindselige Regungen vorhanden, die es nicht zur Befriedigung bringen können, und die zärtlichen wie die sozialen Identifizierungsgefühle entstehen als Reaktionsbildungen gegen die verdrängten Agressionsimpulse.
stehung der Homosexualität vollständig ist. Ich kann heute auf einen neuen Mechanismus hinweisen, der zur homosexuellen Objektwahl führt, wenngleich ich nicht angeben kann, wie groß seine Rolle bei der Gestaltung der extremen, der manifesten und ausschließlichen Homosexualität anzuschlagen ist. Die Beobachtung. machte mich auf mehrere Fälle aufmerksam, bei denen in früher Kindheit besonders starker eifersüchtige Regungen aus dem Mutter Komplex gegen Rivalen, meist ältere Brüder, aufgetreten waren. Diese Eifersucht führte zu intensiv feindseligen und aggressiven Einstellungen gegen die Geschwister, die sich bis zum Todes wunsch steigern konnten, aber der Entwicklung nicht standhielten. Unter den Einflüssen der Erziehung, gewiß auch infolge der an haltenden Ohnmacht dieser Regungen, kam es zur Verdrängung derselben und zu einer Gefühlsumwandlung, so daß die früheren Rivalen nun die ersten homosexuellen Liebesobjekte wurden. Bin solcher Ausgang der Mutterbindung zeigt mehrfache interessante Beziehungen zu anderen uns bekannten Prozessen. Er ist zunächst das volle Gegenstück zur Entwicklung der Paranoia persecutoria, bei welcher die zuerst geliebten Personen zu den gehaßten Ver folgern werden, während hier die gehaßten Rivalen sich in Liebes objekte umwandeln. Er stellt sich ferner als eine Übertreibung des Vorgangs dar, welcher nach meiner Anschauung zur indivi duellen Genese der sozialen Triebe führt§ 26Dieser neue Mechanismus der homosexuellen Objektwahl, die
Entstehung aus überwundener Rivalität und verdrängter Aggres sionsneigung, mengt sich in manchen Fällen den ums bekannten typischen Bedingungen bei. Man erfährt nicht selten aus der Lebensgeschichte Homosexueller, daß ihre Wendung eintrat, nach dem die Mutter einen anderen Knaben gelobt und als Vorbild angepriesen hatte, Dadurch wurde die Tendenz zur narzißtischen Objektwahl gereizt, und nach einer kurzen Phase scharfer Eifer sucht war der Rivale zum Liebesobjekt geworden. Sonst aber sondert sich der neue Mechanismus dadurch ab, daß bei ihm die Umwandlung in viel früheren Jahren vor sieh geht und die Mutter identifizierung in den Hintergrund tritt, Auch führte er in den von mir beobachteten Fällen nur zu homosexuellen Einstellungen, welehe. die Heterosexualität nicht ausschlossen und keinen horror feminae mit sich brachten. 1 Siehe Massenpsychologie und Ich-Analyse, 1921. § 27Es ist bekannt, daß eine ziemliche Anzahl homosexueller
Personen sich durch besondere Entwicklung der sozialen Trieb regungen und durch Hingabe an gemeinnützige Interessenauszeichnet, Man wäre versucht, dafür die theoretische Erklärung zu geben, daß ein Mann, der in anderen Männern mögliche Liebesobjekte sieht, sich gegen die Gemeinschaft der Männer anders benehmen muß, als ein anderer, der genötigt ist, im Mann zunächst den Rivalen beim Weibe zu erblicken. Dem steht nur die Erwägung entgegen, daß es auch bei homosexueller Liebe Eifersucht und Rivalität gibt, und daß die Gemeinschaft der Männer auch diese möglichen Rivalen umschließt. Aber auch, wenn man von dieser spekulativen Begründung absieht, kann die Tatsache für den Zusammenhang von Homo sexualität und sozialem Empfinden nicht gleichgültig sein, daß die homosexuelle Objektwahl nicht selten aus frühzeitiger Überwindung der Rivalität mit dem Manne hervorgeht. § 28In der psychoanalytischen Betrachtung sind wir gewöhnt
die sozialen Gefühle als Sublimierungen homosexueller Objektein stellungen aufzufassen. Bei den sozial gesinnten Homosexuellen wäre die Ablösung der sozialen Gefühle von der Objektwahl nicht voll geglückt.